Dr. Walter Kühne

1875-1956


BIOGRAFIE


Kindheit und Jugend

Am 27. August 1875 als Sohn des Ingenieurs Georg Kühne und dessen Frau Marie geb. Rudolph in Berlin geboren. Nach frühem Tod der Eltern bei den Großeltern mütterlicherseits aufgewachsen. Großvater Louis Rudolph besitzt u.a. die Färberei und Appreturanstalt „Rudolph & Friedlaender“ am heutigen Märkischen Ufer. Als Erbe ist Walter Kühne finanziell unabhängig.

Schulbesuch u.a. im Grauen Kloster, 1895 Abitur, bleibende Liebe zu Goethe und alten Sprachen. Reisen an den Gardasee und nach Österreich zu Onkel Arthur Krupp. Mit Onkel und Vormund Franz Rudolph in den Berliner Galerien Schulte und Gurlitt, wo Werke Arnold Böcklins und Max Klingers Aufsehen erregen. Früh entsteht der Wunsch, Künstler zu werden.

Walter Kühne
um 1950 (Privatarchiv)

Walter Kühne: „Selbstbildnis“,
um 1906/1910,
Kaltnadel, 11 x 7 cm
(Privatbesitz)

Jurastudium, Beginn der Künstlerausbildung

1895 auf Verlangen der Vormunde Beginn des Jurastudiums, Corpsstudent in Bonn. Reisen nach Großbritannien, Aquarellieren, Studium der großen Maler in Londons Museen.

1897 Fortsetzung des Jurastudiums in Berlin. Verkehr im Kreis des Onkels Franz Rudolph in dessen Pankower Landhaus. Dort um 1900 Begegnung mit dem Maler Franz Lippisch. Walter Kühne kennt seine Werke von Ausstellungen der Secession. Entscheidung für die künstlerische Laufbahn.

Herbst 1900 Doktorexamen in Jena, Beginn der Ausbildung bei Franz Lippisch in Charlottenburg. Winter 1900/01 gemeinsames Atelier mit Albert Wenner, Jan Oeltjen und Walter Haeckel (Bleibtreustraße 14). 


Tätig in Berlin und Jamlitz. Schüler von Franz Lippisch in Charlottenburg, autodidaktische Ausbildung in Radierung, Kupferstich und Holzschnitt. Hauptthemen: italienische und märkische Landschaften und Stadtansichten sowie satirische Bildserien. 

Heirat, Atelier in Berlin

22. Mai 1901 Heirat mit Renata v. Stülpnagel (1880–1945), einer Nichte seiner Tante Martha Rudolph, geb. Wolff. Geburt von drei Kindern: Wolfgang (1902–1935), Maria, genannt „Lauchen“ (1907–1987), Walter Georg (1911–1991).

1902 Wohnung in Charlottenburg (Motzstraße 57). 1905 bis 1923 Atelier und Wohnung im Hansa-Viertel (Siegmunds Hof 16). Im nahe gelegenen Atelierhaus Siegmunds Hof 11 haben viele Künstler ihre Werkstätten.

Studienreisen

Zahlreiche Studienreisen mit der Malschule Lippisch oder auf eigene Faust, meist begleitet von Frau und Kind (Auswahl):

  • 1900, Herbst: Stechlinsee mit Malschule Lippisch
  • 1901, Frühsommer: Hochzeitsreise nach Fiesole zu Franz Lippisch und Malschule, später Porto Venere. Spätsommer: Mönchgut/Rügen, Herbst: Lychen/Uckermark
  • 1902, Januar–April: Paris, Studium an der Académie Julian bei Jean Paul Laurens
  • 1904, Herbst: Jamlitz mit der Malschule Lippisch
  • 1905, April–Oktober: Gardasee (Malcesine), Südtirol, Venedig
  • 1906: Ahrenshoop
  • 1912, Frühjahr: Lago Maggiore (3 Wochen „ungestörtes Arbeiten“ auf der Isola Pescatori)
  • 1913, April/Mai letzte Italienreise (mit Dr. Hermann Post): Neapel, Ischia, Ravello

Walter Kühnes Landhaus in Jamlitz von der Gartenseite, um 1908
(Privatarchiv)

Landhaus in Jamlitz

1904 erstmals mit der Malschule Lippisch in Jamlitz (laut Paeprers Gästebuch mit „Frau Mädchen & Sohn“). Jamlitz erscheint ihm wie „Italien in Brandenburg“.
1905 Erwerb des Grundstücks am damaligen östlichen Ortsende.
1907 Bau des Landhauses in schlichtem „Heimatstil“ mit Fachwerk und Walmdach. Walter Kühne füllt das Haus mit Erinnerungsstücken aus Italien und legt einen „Lustgarten“ an.
1911 Erweiterung u.a. durch zwei straßenseitige Anbauten.

Hinwendung zur Grafik

Frühe Faszination für die Technik der Radierung, „die mit Linien zeichnete und doch ganz weiche, tiefe, samtene Töne hervorbringt … Ich wusste sofort, dass ich diese Kunst einmal lernen würde.“

Im Winter 1904/05 erste Radierversuche, im Sommer 1905 nach unbefriedigenden Malversuchen Entscheidung für die Grafik: „… seitdem wurde ich Zeichner und Radierer und malte nur noch alle Jahre etwa 14 Tage, wenn ich plötzlich den Malkoller bekam.“ Weitere autodidaktische Aneignung druckgrafischer Techniken.

1906–1911 jährliche Beteiligung an der Großen Berliner Kunstausstellung, Ankauf von Radierungen durch das Berliner Kupferstichkabinett und das Sprengel Museum Hannover. Artikel von Siegbert Salter über Walter Kühne in der Wochenillustrierten Über Land und Meer (1911).

Wickersdorf, Erster Weltkrieg

1915–16 Zeichenlehrer an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld in Thüringen. Dort ist Sohn Wolfgang Schüler. Die jüngeren Kinder haben in Jamlitz Unterricht bei Lehrer Hinz, gehen in den 1920er Jahren auch nach Wickersdorf oder auf andere Reformschulen.

1917 Einzug zum Kriegsdienst, Einsatz in der Kommandantur in Berlin. Als Nachfolgerin in Wickersdorf empfiehlt er Bianca Lippisch.

Die Kinder Wolfgang Kühne, Walter Georg Kühne, Maria Kühne, hinten: Tante Martha Rudolph geb. Wolff, Ehefrau Renata
geb. von Stülpnagel,
um 1916
(Privatarchiv)

Rückzug nach Jamlitz

Nach 1918 Vermögensverlust durch die Inflation. Verkauf von Grafiken, z.B. an Cousin Georg Kühne in der Schweiz, dem er 1923 mit galligem Humor schreibt: „Kleinere Blätter werde ich Dir zum nächsten Brief auf die weiße Seite der div. Millionenscheine drucken, damit diese doch einen gewissen Wert bekommen.“

1923 Aufgabe der Berliner Wohnung, Rückzug nach Jamlitz. In den folgenden Jahren Selbstversorgung aus dem Garten, Bienenzucht, Kleinviehhaltung. Eierverkauf nach Berlin (1926 Bau einer Hühnerfarm). Schmuckherstellung, nebenbei satirische Bildfolgen.

Vernetzung in der Region, „Heimatkunst“

Mitglied des 1928 in Frankfurt (Oder) gegründeten „Ostmärkischen Künstlerbundes“ und der 1931 in Lübben gebildeten Gruppe „Die Siebener“. Ausstellungen mit diesen Vereinigungen in der Region. Beginn der Erstellung regionaler Landschafts- und Stadtansichten im „verkäuflichen“ Kleinformat sowie im repräsentativeren Großformat im Auftrag von Landräten.

Nach 1933

Rudolf Grunemann aus Frankfurt (Oder) wohnt mit Familie zeitweise im Kühneschen Gartenatelier.

1935 Übersiedlung von Tochter Maria (Kunstgewerblerin) mit Ehemann Erich Seiffert und Sohn Christian zu den Eltern in Jamlitz; Tod des Sohnes Wolfgang (Geigenbauer), der mit Frau und Kindern im eigenen Haus auf dem elterlichen Grundstück in Jamlitz wohnte.

Beteiligung an Ausstellungen im Rahmen des 1935 aus dem Ostmärkischen Künstlerbund hervorgegangenen „Kurmärkischen Künstlerbundes“, öffentliche und private Aufträge, dennoch in wirtschaftlicher Notlage (u.a. wegen Augenleiden).

Sorge um die nach NS-Gesetzen als „halbjüdisch“ geltende Ehefrau Renata sowie um Sohn Walter Georg (Paläontologe), der 1938 über Dänemark nach England emigriert und interniert wird.

Im Herbst 1943 drohende Aussiedlung von Jamlitz für die Anlage des Truppenübungsplatzes Kurmark, Petition Walter Kühnes im Namen der Jamlitzer „Malerkolonie“. Teilenteignung des Grundstücks für Bau der SS-Küche des KZ Lieberose.

1944 Kriegstod des Schwiegersohnes Erich Seiffert (ein „geschickter Mitarbeiter und Berater“ und „treuer Freund, der mal mein Erbe sein sollte“).

In der Nacht zum 24. April 1945 Zerstörung des Hauses und seines gesamten Inhalts durch eine Brandbombe, die vermutlich die benachbarte SS-Kommandantur treffen sollte. Renata Kühne stirbt, Walter Kühne und zehn einquartierte Flüchtlinge können sich retten.

Walter Kühne bei der Arbeit im „Pisspott“, Jamlitz, 1954
(Privatarchiv, Foto: Kaspar Seiffert)

Nach 1945

Notdürftiger Wiederaufbau des Wohnhauses für die verwitwete Tochter Maria Seiffert mit Söhnen Christian, Kaspar und Florian.

Walter Kühne lebt und arbeitet im Gartenatelier, nach dem Märchen vom Fischer und seiner Frau „Pisspott“ genannt.

Malunterricht für Künstler-Autodidakten und die Jungpioniere in Jamlitz. Ausstellungsbeteiligung in Lieberose, Lübben, Beeskow. Pflege der Freundschaften zu den Jamlitzer Künstlerkolleginnen und -kollegen Bianca Commichau-Lippisch, Rudolf Grunemann und Kurt Herbst.

Am 9. September 1956 stirbt Dr. Walter Kühne in Jamlitz.
Sein Grab liegt auf dem Jamlitzer Friedhof.

2008 wird sein Werk in einer Einzelausstellung im Museum Schloss Lübben gewürdigt, 2013 in einer Doppelausstellung mit Erich Seiffert in der Darre in Lieberose, veranstaltet vom Förderverein Lieberose.

  • Deutscher Künstlerbund
  • Ostmärkischer (ab 1935 Kurmärkischer, ab 1939 Brandenburgischer) Künstlerbund
  • Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands

Gruppenausstellungen

  • Beeskow: 1954 (Kreisleitung der SED)
  • Berlin: Große Berliner Kunstausstellung 1906, 1907, 1908, 1909, 1910, 1911
  • Cottbus: Kunstverein 1931 („Siebener“); Kunsthalle 1935 („1. Ausst. des Kurmärkischen Künstlerbundes“, veranstaltet vom Kunstverein Cottbus)
  • Frankfurt (Oder): Stadttheater 1931, 1935 („Siebener“ auf Anregung des Ostmärkischen Künstlerbundes)
  • Hannover: Sprengel Museum 2015
  • Lieberose: Darre 2013, 2018 (Förderverein Lieberose)
  • Lübben: Schloss 1931, 1932, 1933, 1934, 1935 („Siebener“), 1950 (800-Jahrfeier)
  • Posen: Kaiser-Friedrich-Museum 1911
  • Potsdam: 1936 („1. Ausst. des Kurmärkischen Künstlerbundes“)

Einzelausstellungen

  • Lübben: Museum Schloss Lübben 2008
  • Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett (div. Radierungen)
  • Stadtarchiv Frankfurt (Oder) (Radierung Frankfurt (Oder) von Lebus gesehen)
  • Sprengel Museum Hannover (Radierungen Sommer, Reigen)
  • Förderverein Lieberose (div. Radierungen, Aquarell Luisenhof Lieberose)
  • Museum Schloss Lübben (div. Radierungen, ein Venedig-Gemälde)

Unveröffentlichte Quellen

  • BLHA Rep. 55 Provinzialverband XI 260, 262, 263, 264, 265, 315
  • Korrespondenz und Aufzeichnungen von Walter Kühne und Familie Lippisch (Privatarchive)
  • Gästebuch Paeprer (Privatarchiv)
  • Grunemann, Erinnerungen an Dr. Walter Kühne (Privatarchiv)
  • Kühne, Memoiren (Privatarchiv)
  • Kupke, Jamlitzer Künstler, S. 75–93 (Stadtgeschichtliches Archiv Lieberose)
  • Steinborn, Hans: Memoiren 1984 (Privatarchiv)

Literatur

  • Dreßlers Kunsthandbuch Bd. 2, 1930, S. 569 
  • Kohlschmidt/Weigelt 2014
  • Neuigkeiten des deutschen Kunsthandels, nebst den wichtigsten Erscheinungen des Auslandes (monatl. Verzeichnis), 1912, Nr. 12 (Dez.) S. 202; 1913, Nr. 4 (April), S. 54; 1913, Nr. 10 (Okt.), S. 171
  • Salter 1911
  • Seiffert 2008
  • Thieme-Becker, Bd. 22 (1928), S. 61f.
  • Wick 1987