Erich Seiffert
1898-1944
Nach Architekturstudium und Handwerkslehre als Architekt, Grafiker und Maler in Schwiebus (heute polnisch Świebodzin) und Berlin sowie als Maler und Kupferstecher in Jamlitz tätig.
Kindheit und Jugend
Am 6. Juni 1898 in Schwiebus (heute polnisch Świebodzin) geboren als ältester Sohn des Telegrafeninspektors Gustav Seiffert und seiner Frau Elisabeth geb. Redlich. Drei jüngere Geschwister: Dorothea, Reinhard (geb. 1909, befreundet mit Rudolf Grunemann), Christiane. Realgymnasium in Frankfurt (Oder), 1916 Abitur.
Direkt nach der Schule als Soldat im Ersten Weltkrieg, u.a. in Mazedonien. Erkrankung an Lungentuberkulose.
Ausbildung und Studium
Im Mai 1917 Einschreibung zum Architekturstudium an der Königlichen Technischen Hochschule Berlin, Abgangszeugnis im Januar 1919. Lehre als Polsterer und Tapezierer in Schwiebus (Zeitraum unbekannt). Selbststudium im Zeichnen und Malen: Akt, Landschaft.
Nach Architekturstudium und Handwerkslehre als Architekt, Grafiker und Maler in Schwiebus (heute polnisch Świebodzin) und Berlin sowie als Maler und Kupferstecher in Jamlitz tätig.
Als Architekt in Schwiebus
Entwurf von Wochenendhäusern im Bauhausstil, ausgeführt von einer Schwiebuser Firma. Im Juni 1924 Teilnahme an der Ostmarkschau für Gewerbe und Landwirtschaft OGELA in Frankfurt (Oder).
Mitglied des 1928 gegründeten Ostmärkischen Künstlerbunds in Frankfurt (Oder). Freundschaft mit dessen Gründer, dem Goldschmied Heinz Bernhard Buchholz, und dessen Klassenkamerad, dem Zahnarzt und Maler Hans Steinborn (1906–2001) aus Züllichau (heute polnisch Sulechów), nach 1945 ansässig in Peitz.
Als Redakteur und Innenarchitekt in Berlin
Arbeit als Zeitschriftenredakteur in Berlin (Name der Zeitschrift unbekannt), Beantwortung selbst verfasster „Leserzuschriften“ zur Wohnungseinrichtung.
Um 1932 evtl. tätig als Grafiker im Umkreis der Werbekollektive der KPD oder der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (A-I-Z). Um 1933/34 Entwurf von Schiffsinnenausstattungen für das Einrichtungshaus Jordan & Hartmann (Kurfürstendamm 46).
Beziehung mit Walter Kühnes Tochter Maria (1907–1987). Die Handweberin führt in der Bachstraße 4 in Berlin-Tiergarten einen kunstgewerblichen Laden. Im Berliner Adressbuch 1934 und 1935 ist „Erich Seiffert, Architekt“ unter dieser Adresse verzeichnet. Marias Sohn aus erster Ehe, Robert Lebeck (1929–2014) wächst in der Nähe in Siegmunds Hof 8 bei Vater und Großmutter auf, die Ferien verbringt er in Jamlitz.
Aktskizze, um oder nach 1932, Tusche
auf Druckbogen-Rückseite,
45,5 x 40 cm, Privatbesitz
Die Aktstudie zeigt Maria Lebeck geb. Kühne, die Erich Seiffert vermutlich Anfang der 1930er Jahre in Berlin kennenlernte. Sie heirateten 1935 und gingen nach Jamlitz. Die Studie findet sich auf der Rückseite des Druckbogens für eine Broschüre der sowjetischen Reiseagentur Intourist. Sie ist damit wohl ein Zeugnis für Erich Seifferts Sympathien für den Kommunismus und – sollte er selbst die Broschüre gestaltet haben – darüber hinaus für den Spagat zwischen wirtschaftlich notwendiger „angewandter“ und nebenbei geübter „freier“ Kunst.
Der Druckbogen einer Broschüre für die 1929 gegründete sowjetische Reiseagentur Intourist ist auf 1932 zu datieren, da nur in diesem Jahr die darauf angegebene Münchner Filiale der Agentur bestand (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Patrick Rössler, Erfurt). Von Erich Seiffert ist noch eine Aktskizze auf einem weiteren Exemplar dieses Druckbogens erhalten. Möglicherweise entwarf er selbst für Intourist Grafiken oder bewegte sich im Umkreis kommunistischer Werbekollektive oder der A-I-Z (Arbeiter-Illustrierten-Zeitung), die für Intourist gearbeitet haben könnten. Die Recherchen dazu werden fortgesetzt.
Rückseite der abgebildeten Aktskizze
Familiengründung und Umzug nach Jamlitz
1935 Heirat von Erich Seiffert und Maria Lebeck geb. Kühne in Berlin, Geburt des gemeinsamen Sohnes Christian. Aus wirtschaftlichen, vielleicht auch politischen Gründen – das Paar soll kommunistische Flugblätter verteilt haben – Umzug nach Jamlitz zu den Schwiegereltern Kühne. Zwei weitere Kinder werden geboren: Kaspar (1938–2014) und Florian (geb. 1943).
Vom Architekten zum Kupferstecher
Angeregt durch Walter Kühne 1936 Hinwendung zu grafischen Techniken, vornehmlich dem Kupferstich. Bis Herbst 1942 entstehen 45 Kupferstiche, vor allem Pflanzen- und Tiermotive. Zwischenzustände und Probedrucke werden mit der Handpresse in Walter Kühnes Jamlitzer Werkstatt, die regulären Auflagen bei der Druckerei O. Felsing in Berlin gedruckt.
Teilnahme an Ausstellungen des „Kurmärkischen Künstlerbunds“ (NS-Nachfolgeorganisation des Ostmärkischen Künstlerbunds, 1939 umbenannt in „Brandenburgischer Künstlerbund“). Öffentliche Aufträge und Ankäufe, Veröffentlichungen in der Presse, Annahme von Schülern, dennoch dauerhaft prekäre wirtschaftliche Lage.
Nebenbei Aquarellmalerei und Gestaltung von Kinderbüchern und Holzarbeiten (Spielzeug, Möbel), Anlage eines Karl-Foerster-Gartens auf dem Jamlitzer Grundstück, Betätigung als Musiker (Klavier, Orgel, Gambe), u.a. zusammen mit dem Lieberoser Pfarrer Kowalewsky und Karl Gofferje (1893–1966), Spezialist für alte Musik vom Musikheim in Frankfurt (Oder).
Zweiter Weltkrieg und die Folgen
1943 Einberufung als Soldat, Einsatz in Frankreich beim Bodenpersonal eines Luftwaffen-Fliegerhorsts bei Clermont-Ferrand. Neben dem Dienst Landschaftsaquarelle, Porträts und ein Monumentalbild Wallensteins Lager.
Ende 1943 oder Anfang 1944 Zerstörung von Erich Seifferts Kupferplatten in der Druckerei Felsing in Berlin durch Bombenangriff.
Am 10. März 1944 alliierter Bombenangriff auf den Flugplatz Aulnat bei Clermont-Ferrand. Seitdem gilt Erich Seiffert als „vermisst“. Walter Kühne trauert um seinen „treuen Freund, der mal mein Erbe sein sollte und der ein geschickter Mitarbeiter und Berater war“.
Am 24. April 1945 Kriegszerstörung des Hauses von Walter Kühne in Jamlitz, dabei Verlust von Dokumenten und Werken. Frau und Kinder entgehen der Bombardierung durch Evakuierung nach Oberbayern.
Familie Seiffert nach 1945
Nach Kriegsende Rückkehr von Maria Seiffert mit den drei Söhnen nach Jamlitz. Wiederaufbau des Hauses, Broterwerb u.a. durch kunsthandwerkliche Arbeiten. Christian und Kaspar Seiffert fliehen in den 1950er Jahren in den Westen, Maria Seiffert folgt Ende 1960 mit dem jüngsten Sohn Florian. Verlust weiterer Kunstwerke und Dokumente im zurückgelassenen Jamlitzer Haus.
2012 Würdigung von Erich Seifferts Lebenswerk in einer Einzelausstellung im Museum Schloss Lübben. 2013 Doppelausstellung mit Werken Walter Kühnes in der Darre in Lieberose, veranstaltet vom Förderverein Lieberose.
Gruppenausstellungen
- Cottbus: Kunsthalle 1939 (Ausstellung „Lausitz, Land und Leute“, vermutlich im Rahmen des Brandenburgischen Künstlerbunds)
- Lieberose: Darre 2013, 2018 (Förderverein Lieberose e.V.)
- Lübben: Schloss 1950 (800-Jahrfeier der Stadt Lübben)
- Wanderausstellung des Brandenburgischen Künstlerbunds, ab Nov. 1941
Einzelausstellungen
- Lübben: 2012 Stadt- und Regionalmuseum im Schloss Lübben
- Stadtgeschichtliche Sammlung Lieberose („eine Reihe Kupferstiche“, darunter der Stich Frankfurter Rathaus mit Wochenmarkt, siehe Oderzeitung 16. Januar 1940)
- Stadtarchiv Frankfurt (Oder) (Kupferstiche Frankfurter Stadttheater, Frankfurter Rathaus mit Wochenmarkt, div. Blumen- und Pflanzenstücke)
Unveröffentlichte Quellen
- BLHA Rep. 55 Provinzialverband XI 260, 263, 264, 265
- Technische Universität Berlin, Universitätsarchiv, 111-1 Matrikelbücher der Studenten, Band VII (1914–1923), S. 62.
- Nachlass Kühne/Seiffert (Privatarchiv)
- Steinborn, Memoiren, S. 129–131
- Grunemann, Erinnerungen an Dr. Walter Kühne (Privatarchiv)
- Kupke, Jamlitzer Künstler, S. 93–95 (Stadtgeschichtliche Sammlung Lieberose/Förderverein Lieberose e.V.)
- Christian Seiffert: Anmerkungen zu Erich Seiffert, Typoskript, 2010 (Privatarchiv)
- Aufzeichnungen von Evelin Grunemann aus den 1980er Jahren (Privatarchiv)
Literatur
- Brandenburgischer Anzeiger Nr. 270, 15./16. November 1941
- Jacob 2004, S. 82f.
- Oderzeitung, 16. Januar 1941
- Oderzeitung, 21. August 1941
- Seiffert 2012