Geschichte der Künstler in Jamlitz
„Wir denken an Jamlitz, Ahrenshoop …“
Im letzten Sommer vor dem Ersten Weltkrieg machte der Schweizer Maler Albert Wenner Reisepläne. Am 25. Juli 1914 schrieb er seinem früheren Lehrer Franz Lippisch: „Wir denken an Jamlitz, Ahrenshoop, und weiter schweift die Phantasie …“ Das Dorf in der Niederlausitz stand für ihn als Malreiseziel in einer Reihe mit der bekannten Künstlerkolonie an der Ostsee. Er dachte wohl auch gern an Jamlitz, weil er dort 1902 seine Frau Else geb. Schröpfer aus Posen kennengelernt hatte. Beide waren damals Mitglied der Malschule von Franz Lippisch.
In der regionalen Presse liest man erst seit Anfang der 1930er Jahre von der „Jamlitzer Malerschule“ (Lübbener Zeitung, 3. April 1931), dem „Malerdörfchen“ (Lübbener Kreisblatt Nr. 37, Ende März 1933), schließlich der Jamlitzer „Künstlerkolonie“ (Beilage zum Cottbuser Anzeiger, 24. Januar 1939, Frankfurter Oderzeitung, 25. Februar 1941) bzw. der „Malerkolonie“ (Cottbuser Anzeiger, 9./10. und 11. Mai 1942). Dabei steht meist Franz Lippisch als „Nestor“ oder „Altmeister“ im Mittelpunkt.
Diese Zuschreibungen leben in den DDR-Jahren fort, wenn die Rede ist vom „Künstlerdorf“ (Der neue Tag, 18. Januar 1955) und dem „Nestor der Jamlitzer Künstlerkolonie“ (Mocho 1957b, S. 37). In der Nachwendezeit wird erneut an Jamlitz als „Eldorado Berliner Künstler“ und Franz Lippisch als „Gründer der Künstlerkolonie“ erinnert (MOZ, 4. März 1994). Auch in jüngerer Zeit zieht man gewagte Parallelen („Was haben Ahrenshoop, Worpswede und Jamlitz gemeinsam?“) und verwendet ganz selbstverständlich den Begriff „Künstlerkolonie“ (MOZ, 23./24. Juni 2012, Journal, S. 4).
Bisweilen wird aber auch die Frage gestellt, ob der Begriff in Bezug auf Jamlitz eigentlich angemessen sei. Zweifel sind berechtigt angesichts der bescheidenen Zahl und Ausstrahlungskraft der hier einst ansässigen Künstler und des Umstands, dass das Label „Künstlerkolonie“ auch beim Ortsmarketing beliebt ist (z.B. hier). Zur Klärung der Frage „Künstlerkolonie?“ hilft ein vergleichender Blick auf das Phänomen, den kulturhistorischen Kontext sowie Definitionen und Typen von Künstlerkolonien.
Phänomen Künstlerkolonie
Künstlerkolonien wurden ab ca. 1820 in vielen ländlichen Regionen Europas gegründet. Als „Mutter aller Künstlerkolonien“ gilt Barbizon im Wald von Fontainebleau bei Paris (1824). Aus der Hochphase deutscher Gründungen ist Worpswede (1889) das berühmteste Beispiel. Auch am Schwielowsee südwestlich Berlin entstand um 1900 eine ganze „Künstlerlandschaft“. Es scheint trotz Bekanntschaft Franz Lippischs mit dortigen Malern aber keine Verbindung nach Jamlitz gegeben zu haben.
Maler – und, wie in Jamlitz, nicht wenige Malerinnen – suchten in der ländlichen Abgeschiedenheit Ursprünglichkeit, Unverfälschtheit, kreative Geselligkeit unter Gleichgesinnten und selbstbestimmtes Arbeiten in der freien Natur. Manche entschieden sich auch wegen des Konkurrenzdrucks in den städtischen Kunstzentren für das billigere Landleben.
Im Brief an Albert Wenner vom 12. Juli 1915 (Staatsarchiv St. Gallen), in dem er seinen ehemaligen Schüler ermuntert, vom Grafen von der Schulenburg ein altes Bauernhaus in Jamlitz zu erwerben, nennt Franz Lippisch gleich mehrere dieser Gründe: „Sie werden verschiedene der alten Bekannten treffen – und für Ihre Kunst sehr geeignete Motive finden. … Berlin + Dresden nicht zu weit und billiges, geruhsames Leben. … Man hat ja Alles in der Nähe u. ist doch für sich und unabhängig.“
Wie im Zitat anklingt, blieben die Künstler auf die Stadt als Absatzmarkt bezogen. Sie malten den modern-touristischen, nostalgischen Blick der städtischen bürgerlichen Mittelschicht auf das Land. Neben dem Boom der naturalistischen Landschaftsmalerei und ihrer Verankerung in Kunstakademien und privaten Malschulen ist das Phänomen Künstlerkolonie auch nicht denkbar ohne technische Neuerungen wie die seit 1840 erhältlichen Tubenfarben, die erst die Freilichtmalerei ermöglichten, und die Eisenbahn, die wie in Jamlitz für wachsende Mobilität zwischen Stadt und Land sorgte.
Lebensreform und Heimatkunst
Die sogenannte Lebensreform um 1900 spielte für die Entstehung von Künstlerkolonien ebenfalls eine wichtige Rolle. Ihr Ruf „Zurück zur Natur“ war von Friedrich Nietzsches Großstadtkritik inspiriert (Also sprach Zarathustra, 3. Teil: „Speie auf die große Stadt und kehre um!“). „Heimatschutz“ und „Heimatkunst“ sollten der Entfremdung von Natur und traditionellen Lebensformen entgegenwirken, neue pädagogische Konzepte wurden in Reformschulen erprobt, im Wandervogel wollten Jugendliche Natur, Autonomie, aber auch Gemeinschaft und „ursprüngliche“ Volkskultur erleben.
Solche Ideen haben auch die Jamlitzer Künstler geprägt. Nietzsche hatten sie wohl alle gelesen. In der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, einem Projekt der Jugendbewegung, waren im und nach dem Ersten Weltkrieg Walter Kühne und Bianca Lippisch als Lehrer, Leni Oeltjen und die Kühne-Kinder als Schüler. Rudolf Grunemann kam wie Alexander Lippisch aus dem Wandervogel.
Der Begriff „Heimatkunst“ findet bei Jamlitzer Künstlern zwar auch ein halb scherzhaftes Echo. So fühlte sich Franz Lippisch zur Ansiedlung durch Otto Graf von der Schulenburg ermutigt, der ihm das Haus verkaufte, ihm Porträtaufträge verschaffte und aus Grundbesitzersicht seine Landschaftsbilder schätzte, die „doch die rechte Heimatkunst geben … alles sein Land und Wald!“ (Brief Franz Lippisch vom 1. Juli 1916); Walter Kühne mokierte sich in einem Brief 18.3. 1931 über „wackre Heimatkunst“.
Doch als Mitglieder in Vereinigungen wie dem 1928 in Frankfurt (Oder) gegründeten Ostmärkischen Künstlerbund oder der 1931 anlässlich einer Lübbener „Heimatkunst“-Initiative gegründeten Ausstellungsgruppe „Die Siebener“ (Maler aus Cottbus, Jamlitz, Straupitz, Lieberose) partizipierten die Jamlitzer Künstler intensiv an öffentlichen Bemühungen um die Förderung heimischer Künstler.
Definitionen und Typologie
Der Begriff „Künstlerkolonie“ ist eine Übersetzung von engl. artists’ colony und findet sich zuerst 1895 in der Berichterstattung der Kölnischen Zeitung über Worpswede. Der Brockhaus definiert Künstlerkolonien 1902 als „zum Zwecke des Naturstudiums von Malern seitab von den großstädtischen Kunstcentren gemeinsam gewählte Heimstätten“.
Davon abzugrenzen ist der „Künstlerort“ (nach Pese/Negendanck/Hamann 2004). Dorthin reisten Künstler regelmäßig, aber ohne dauerhafte Ansiedlung. Um als regelrechte „Künstlerkolonie“ zu gelten, müsse ein Ort fester, freiwilliger Wohnsitz von Künstlern sein. Ausgehend vom Musterbeispiel Worpswede will der Historiker Alfred Rehm außerdem Kriterien des „Aufbaumerkmals Gemeinsamkeit“ erfüllt sehen:
• „gemeinsame öffentliche Auftritte bzw. Ausstellungen,
• eine gemeinsame Willenserklärung wie Manifest, Programm usw.,
• eine zentrale Persönlichkeit,
• ein gemeinsamer Treffpunkt wie Wohnung, Gebäude usw.,
• eine gegenseitige Beeinflussung“ (zit. nach Andratschke 2016, S. 33).
In Jamlitz wären die Kriterien „zentrale Persönlichkeit“ und „gegenseitige Beeinflussung“ erfüllt, aber ein gemeinsames Programm und Ausstellungsgebäude gab es nie. Gemeinsame öffentliche Auftritte zwar schon, aber nicht im Namen einer Jamlitzer Künstlerkolonie, sondern im Rahmen des Ostmärkischen Künstlerbund und der „Siebener“. Nach dieser strengen Definition wäre Jamlitz also keine Künstlerkolonie, sondern nur ein „Künstlerkreis“ oder eine „Künstleransammlung“ (Ausst.-Kat. Fischerhude 2009 über Duhnen und Fischerhude).
Die wenigsten Künstlerkolonien jedoch weisen alle oben aufgezählten Merkmale auf. So mancher Umzug aufs Land war nicht nur freiwillig, sondern von äußeren Zwängen mitbestimmt. Es ist eigentlich der Normalfall, dass Künstlerkolonien ohne gemeinsames Programm und einheitliche künstlerische Auffassung ins Leben gerufen wurden. Oft gaben Zufall und persönliche Verbindungen den Ausschlag für den Zusammenschluss. Dieser konnte sich vertiefen und wieder lockern, es sind also auch Entwicklungen vom „Künstlerort“ zur „Künstlerkolonie“ und zurück möglich.
Hilfreicher zur Beschreibung der historischen Realität von Künstlerkolonien ist daher die Typologie nach Pese/Negendanck/Hamann 2004:
- Gasthaustyp: mit einer Herberge als Anlaufstelle und geselligem Zentrum, aus dem sich durch feste Ansiedlung eine Künstlerkolonie entwickelt (z.B. Barbizon, Dachau);
- Kolonistentyp: durch einen Einzelnen oder eine Gruppe von Gleichgesinnten mit einem Programm von vornherein als Kolonie gegründet (z.B. Worpswede, Ahrenshoop);
- Landhaustyp: mit dem Haus eines Mäzens als Kristallisationskern (z.B. Hiddensee).
Jamlitz gehört eindeutig zum „Gasthaustyp“: Mit dem „Kühlen Grund“ fing alles an.
Mit Postkarten, auf denen u.a. der Maler Franz Lippisch, seine Familie, Künstlerkolleginnen und die Paeprers posieren, wurde 1906/07 Werbung für den „Kühlen Grund“ gemacht. Eine Gartenansicht mit Springbrunnen erinnert in Komposition und Stimmung an Heinrich Vogelers programmatisches Gemälde Sommerabend im Barkenhoff (1905) aus der Künstlerkolonie Worpswede.
Selbstverständnis der Jamlitzer Künstler
Das Wort „Künstlerkolonie“ findet sich – soweit bisher bekannt – nicht in schriftlichen Äußerungen der Jamlitzer Künstler. Eine Ausnahme ist am 10. Oktober 1943 Walter Kühnes Versuch, die drohende Aussiedlung des Dorfes mit einem Bittschreiben an die SS im Namen der Mitglieder der ansässigen „Malerkolonie“ abzuwenden.
Ob Walter Kühne beim Jamlitzer Grundstückskauf 1905 an eine Künstlerkolonie wie Ahrenshoop gedacht hat, wohin er 1906 reiste, wissen wir nicht. De facto wurde sein Jamlitzer Landhaus dann Anlaufstelle und geselliges Zentrum der entstehenden Künstlerkolonie: Sein Gartenatelier stellte er Franz Lippisch zur Verfügung, als dieser noch keinen eigenen Arbeitsraum in Jamlitz hatte, Erich Seiffert arbeitete mit ihm zusammen, Rudolf Grunemann nannte sein Atelier eine „freie Akademie der praktischen Übung und der geistigen Diskussion“ (Erinnerungen an Dr. Walter Kühne, S. 3).
Franz Lippischs Bauplanungen, seine Äußerungen und das Echo von Briefpartnern lassen vermuten, dass er um 1915 tatsächlich über eine Künstlerkolonie nachgedacht und gesprochen hat. Er wünschte sich in Jamlitz Menschen, „mit denen man ‚unsere Sprache‘ reden kann und welche unsere Interessen … teilen könnten“ (Brief Franz Lippisch vom 26. Juni 1915). Eine Freundin der Familie hoffte, nach dem Krieg würde „Ihr Jamlitz noch zu einer besonderen Malerkolonie erblühen u. damit noch mehr seine Bestimmung erfüllen“ (Brief Luise Engelhorn vom 4. Februar 1917).
Die Kunstgewerblerin Johanna Brinkhaus versprach Franz Lippisch in einem Brief vom 17. Januar 1916, seine „Jamlitzer Idee“ mit verwirklichen zu helfen, „daß Jamlitz wird und bleibt, wie Sie es lang schon gewünscht und gedacht haben“. Sich selbst sah sie in Jamlitz „an der Quelle alles Ersehnten“ und machte ihr Haus dort bald zu einem geselligen Zentrum des Künstlerkreises.
Franz Lippischs Sohn Alexander beschreibt die Jamlitzer Jahre nach dem Ersten Weltkrieg in seinen Erinnerungen, vielleicht etwas nostalgisch, als „Künstlerkolonie, wie man sie sich besser gar nicht vorstellen kann“ (S. 36). Rudolf Grunemanns Tochter Adelheid Grunemann spricht auch im Blick auf ihre Kindheit in den 1930er Jahren noch von Jamlitz als „Künstlerkolonie“ (Interview 2014). Für die Zeit nach 1945 aber verneint einer ihrer jüngeren Brüder, dass sich die Jamlitzer Künstler noch als Künstlerkolonie verstanden hätten (mündliche Mitteilung im September 2019).
Zwischenbilanz
Starre Maßstäbe und Definitionen haben bei dem langen Betrachtungszeitraum von ca. 1902 bis 1964 wenig Sinn. Der Gedanke, dass sich ein Künstlerort zu einer Künstlerkolonie hin–, aber auch wieder zurückentwickeln kann, ist auch für Jamlitz in Erwägung zu ziehen: Von 1915 bis in die 1930er Jahre trug Jamlitz Merkmale einer (kleinen) Künstlerkolonie. Als die Presse anfing, es so zu nennen, war es vielleicht nur noch ein Künstlerort.
Was die Beteiligten verband und trennte, waren nicht nur künstlerische und persönliche Beziehungen, sondern auch allgemeine gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass in dieser Hinsicht immer Gleichgesinntheit herrschte.
Zum Verbindenden zählen Lebensreform und Jugendbewegung, Künstlervereinigungen und Bemühungen um „Heimatkunst“. Alle Mitglieder der Jamlitzer Künstlerkolonie teilen auch eine eher konventionelle Formensprache. Bisweilen werden sie deshalb unterschiedslos als kulturkonservative, zugleich politisch reaktionäre und ästhetisch regressive Vertreter einer von den modernen Entwicklungen abgehängten Parallelkultur betrachtet (vgl. Jacob 2004, S. 81).
Zum Trennenden gehören aber möglicherweise politische Haltungen, insbesondere gegenüber dem Nationalsozialismus. Eine differenziertere Betrachtung könnte davon ausgehen, dass es unter den Bedingungen der Diktatur vielleicht Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Kunstproduktion und damit auch Unterschiede und Bruchlinien innerhalb der Künstlerkolonie gegeben hat.
Als Jamlitz im Herbst 1943 wegen des geplanten SS-Truppenübungsplatzes Kurmark und des nach dem Krieg vorgesehenen Braunkohletagebaus ausgesiedelt werden soll, schreibt Dr. Walter Kühne am 10. Oktober 1943 eine Petition an SS Obersturmbannführer Dr. Brandt im Namen der „Mitglieder der hier ansässigen Malerkolonie“ Bianca Commichau-Lippisch, Dr. Walter Kühne, Erich Seiffert, Rudolf Grunemann.
Der dem NS distanziert gegenüberstehende Verfasser des Briefes, dessen Frau nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als „Halbjüdin“ galt, appelliert gezielt an Vorstellungen von „Blut und Boden“, um gegen die drohende Aussiedlung zu argumentieren:
„Die 4 Malerfamilien sind Fleisch und Blut gewordener Jamlitzer Boden: Wir bebauen alle selbst unser Land und belasten keinen Markt oder Kaufmann durch unsre Versorgung mit viel Obst und Gemüse. Unsere stets vorhandene Kraft und Schaffensfreudigkeit beruht nach meiner Überzeugung auf diesem einzigartigen Verbundensein mit unserem Boden. Wenn es Ihnen möglich ist, erhalten Sie uns diesen.“
Das Wort Malerkolonie erhält durch den Verweis auf die Selbstversorgerwirtschaft hier eine wortwörtliche, nichtkünstlerische Bedeutung („Kolonie“ von lat. colere = Land bebauen), die von dem altsprachlich gebildeten Dr. Kühne sicher bewusst und vielleicht sogar ironisch angesprochen wird.
Dass es tatsächlich nicht zur Aussiedlung von Jamlitz kam, ist jedoch nicht auf die Petition zurückzuführen (sie wurde abschlägig beschieden), sondern hatte organisatorische Gründe.
Quelle:
- BArch Berlin NS 19/1373
1928 konstituierte sich in Frankfurt (Oder) im Café Küritz neben dem Stadttheater der „Ostmärkische Künstlerbund“, der im Foyer des Stadttheaters regelmäßig Gruppenausstellungen veranstaltete. Ende 1931 fand bereits die sechste Ausstellung statt. 1932 hatte der Verein unter Vorsitz von Friedrich Schilling 18 aktive Mitglieder, 1934 ca. 20 Mitglieder.
Die Gründung soll auf Initiative des Goldschmieds Heinz Bernhard Buchholz aus Züllichau/Sulechów erfolgt sein, eines Klassenkameraden des Zahnarztes und Malers Hans Steinborn (später in Peitz ansässig), auf den diese Angabe zurückgeht. Weitere Gründungsmitglieder seien gewesen: Bildhauer Paul Bronisch (Züllichau), der mit Buchholz befreundete Erich Seiffert (Schwiebus), Walter Kühne (Jamlitz), Rudolf Grunemann (Frankfurt/Oder) und Bianca Commichau-Lippisch (damals Straupitz).
Der Maler und Grafiker Adolf Schröter, ein Kindheitsfreund von Rudolf Grunemann aus Frankfurt (Oder), wohl ebenfalls Gründungsmitglied, erinnert sich 1986 darüber hinaus an gemeinsame Ausstellungen mit Mitgliedern wie den Malern Carl-Alexander Brendel (Buschmühle), Max Heilmann (Frankfurt/Oder), Reinhold Gragert und Hans Salzmann (Weimar).
Die Frage, ob die gemeinsame Mitgliedschaft im Ostmärkischen Künstlerbund am Anfang der Verbindung zwischen den Jamlitzer Künstlern und den Frankfurtern Seiffert und Grunemann stand und somit letztlich zu deren Ansiedlung in Jamlitz führte, lässt sich heute nicht mehr klären.
Der Ostmärkische Künstlerbund ging Ende 1935 im nationalsozialistisch gleichgeschalteten, nun alle Künstler der Provinz umfassenden „Kurmärkischen Künstlerbund“ unter Vorsitz von Franz Graf aus Hohensaaten (Oder) auf, der nach der Umbenennung der Provinz 1939 „Brandenburgischer Künstlerbund“ hieß. Aus Jamlitzer Kontext sind Ada Adelmann-Reuther, Bianca Commichau-Lippisch, Rudolf Grunemann, Walter Kühne, Franz Lippisch, Erich Seiffert als Mitglieder zu nennen.
Neben Organisation von Ausstellungen, Verkaufsförderung und Werbung erstellte der Künstlerbund Vorschlagslisten für die 1936 gegründete staatliche Stiftung „Kurmärkischer Künstlerdank“ (ab 1939 „Brandenburgischer Künstlerdank“) zugunsten notleidender Künstler. Davon profitierten zeitweise Bianca Commichau-Lippisch, Johanna Feuereisen-Oeltjen und Rudolf Grunemann sowie regelmäßig Walter Kühne, Franz Lippisch und Erich Seiffert.
Quellen:
- BLHA Rep. 55 XI 260 Bl. 25 (22. August 1935, geplante Gründung des Kurmärkischen Künstlerbundes)
- BLHA Rep. 55 XI 261 Bl. 72 (April 1939, Satzung des Brandenburgischen Künstlerbundes)
- BLHA Rep. 55 XI 262, 263, 264, 265 (Beihilfen Kurmärkischer/Brandenburgischer Künstlerdank)
- Frankfurter Volksfreund, 16. Juli 1932
- Notizen von Evelin Grunemann, basierend auf Gesprächen mit Hans Steinborn 1986 (Privatarchiv)
- Brief von Adolf Schröter aus Marburg an Evelin Grunemann vom 19. Juni 1986 (Privatarchiv)
- Brief von Hans Steinborn an Evelin Grunemann vom 2. Mai 1986 (Privatarchiv)
- Brief Walter Kühne an Bianca Commichau-Lippisch 29. März 1934 (Privatarchiv)
- Jacob 2004, S. 79–82
Ende der 1920er Jahre bemühen sich staatliche Stellen in der Niederlausitz und im Spreewald ebenso wie in Frankfurt (Oder) um die Förderung von „Heimatkunst“. Im Mai 1928 richtet die Stadt Cottbus die Ausstellung „Unsere Heimat im Bild“ aus, als ersten Versuch, „das Interesse für die Heimat zu erweitern und gleichzeitig einen Überblick über das Schaffen unserer Heimatkünstler zu geben“ (Cottbuser Anzeiger, 5. Mai 1928). Neben Cottbuser Künstlern war Bianca Commichau-Lippisch aus Straupitz beteiligt.
Anlässlich der ab Frühjahr 1931 jährlich vom Landrat ausgerichteten Spreewaldmaler-Überblicksausstellung im Lübbener Schlossturm über „den Reichtum hochqualifizierter Kunstwerke, die gewissermaßen dem heimischen Boden entsprossen sind“ (Cottbuser Anzeiger, 4. April 1931), bildete sich dann die Künstlergruppe der „Siebener“. Dazu gehörten neben Bianca Commichau-Lippisch, Johanna Feuereisen, Franz Lippisch und Walter Kühne aus dem Jamlitzer Kreis die Cottbuser Maler Alfred Janigk, Frieda Koppe und Carl Noack.
Im Herbst 1931 stellen sie auch im Cottbuser Kunstverein aus und bis 1937 wohl regelmäßig in der jährlichen Lübbener Frühjahrsausstellung im Schlossturm. Der jüngste bekannte Beleg der Bezeichnung „Siebener“ ist der Bericht einer Zeitung aus Frankfurt (Oder) vom Frühjahr 1935 über eine Ausstellung im Stadttheater auf Einladung des Ostmärkischen Künstlerbundes.
Die Künstlervereinigung „Die Siebener“ kommt in ihrer Zusammensetzung am ehesten einer Vertretung der Jamlitzer Künstlerkolonie nahe. Die Beziehungen zu den Cottbuser Künstlern Janigk und Noack scheinen eher lose gewesen zu sein. Dagegen hatte die Cottbuser Aquarellmalerin Frieda Koppe enge Beziehungen nach Jamlitz. Sie ist mit ihrer Familie im Gästebuch des Jamlitzer Gasthofs Paeprer schon 1911 und 1913 verzeichnet und war mit der Familie Lippisch befreundet.
Quellen:
- Eröffnung der Lübbener Kunstausstellung im Schloßturm [Kürzel: p.], in: Lübbener Zeitung Nr. 39a vom 3. April 1931
- Lübben wirbt für Spreewaldkunst. Eröffnung einer Kunstausstellung im Lübbener Schloßturm, in: Cottbuser Anzeiger vom 4. April 1931, 2. Beilage zu Nr. 79
- Sieben Künstler stellen aus. Die Gemäldeschau des Kunstvereins im neuen Heim, in: Cottbuser Anzeiger, 2. Beilage zu Nr. 239 [Montag 12. Oktober 1931]
- Rasper, Franz: Herbstausstellung der Künstlervereinigung „Die Siebener“, in: Stadtanzeiger Cottbus [ca. 13./14. Oktober 1931]
- Einheimisches. Neue Kunstausstellung im Stadttheater. Die Eröffnung am Sonntag [Kürzel: -ree, = Andree], in: [vermutl. Frankfurter Oder-Zeitung, nach 13. Februar/vor 5. Mai 1935]
- Brief Walter Kühne vom 10. März 1932 an Bianca Commichau-Lippisch (Privatarchiv)
Unveröffentlichte Quellen
- Korrespondenz und Aufzeichnungen von Bianca Commichau-Lippisch (Privatarchiv)
- Drendel/Mocho 1957a
- Grunemann, Erinnerungen an Dr. Walter Kühne (Privatarchiv)
- Interview Adelheid Grunemann 2014 (Privatarchiv)
- Kühne, Der Schwansee (Privatarchiv)
- Kupke, Jamlitzer Künstler (Stadtgeschichtliche Sammlung Lieberose/Förderverein Lieberose e.V.)
- Brief Franz Lippisch an Albert Wenner 21. Juli 1915 (Staatsarchiv St. Gallen, W 054/96.83)
- Korrespondenz und Aufzeichnungen von Franz Lippisch (Privatarchiv)
- Chronik Jamlitz 1942/43 (Kopie in Dokumentationsstelle Lager Jamlitz der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und Land, Lieberose)
- Ortschronik Jamlitz 2002 (Kopie in Dokumentationsstelle Lager Jamlitz der Evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und Land, Lieberose)
- Gästebuch Paeprer (Privatarchiv)
- Programm der Ausstellung zum Stadtjubiläum Lübben 1950 (Museum Schloss Lübben)
Literatur
- Andratschke 2016
- Ausst.-Kat. Darmstadt 2001
- Ausst.-Kat. Fischerhude 2009
- Ausst.-Kat. Hannover 2016
- Ausst.-Kat. Karlsruhe 1998
- Ausst.-Kat. Nürnberg 2001
- Bröhan 2017
- Drendel/Mocho 1957b
- Jacob 2004
- Kepler 2001
- Kohlschmidt/Beder 2002
- Krentz 2011
- Küster 2016
- Lippisch, Erinnerungen
- Lübbren 2016
- Mogge 2001
- Pese/Negendanck/Hamann 2004
- Schirmer 2008
- Seiffert 2008