Kurt Herbst
1922-2018
Maler und Zeichner. Studium in Düsseldorf und Dresden. Als freier Künstler tätig in Jamlitz, Dresden und Rostock mit den Schwerpunkten Arbeiterdarstellung, Porträt und Landschaft.
Lebenslauf
1922
Geburt am 18.8. in Bottrop als Sohn des Bergmanns und gelernten Webers Bruno Herbst und seiner Frau Lydia Marie geb. Peter; eine ältere Schwester.
1937–41
Nach der Volksschule Dekorationsmalerlehre bei Fa. Friedrich Rechert, Bottrop. Ab 1940 Geselle. Autodidaktische Weiterbildung als Zeichner und Maler.
1941–45
Kriegsdienst als Funker der Luftwaffe, Einsatz in Belgien und Frankreich. Daneben tätig als Landschaftsmaler und Porträtist.
1945
Bis August: Lazarett Cottbus, wo Kurt Herbst seine spätere Frau kennenlernt. Rückkehr nach Bottrop.
1946–47
Kunstakademie Düsseldorf, dann „freier“ Schüler von Otto Pankok.
1948
18.8.: Heirat mit Gudrun Kaethner (1924–2016), Musik- u. Tanzlehrerin aus Cottbus. Fünf Kinder. Ende August Umzug ins Ferienhaus ihrer Eltern am Raduschsee in Jamlitz, wo Kurt Herbst bald eine Führungsrolle unter den Jamlitzer Künstlern im Rahmen des Kulturbunds einnimmt.
1950
Kuratierung der Jamlitzer Beiträge für die Ausstellung „Kunst und Laienkunst“ zur 800-Jahrfeier der Stadt Lübben (15.–24.9.). Organisation von Ausstellungen in Jamlitz zur Volkskammerwahl am 15.10.
1951
Ab September: Malereistudium in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste bei Rudolf Bergander.
1954
Diplom, dann freischaffend in Dresden. Führungen in den Staatlichen Kunstsammlungen, Studienreisen ins sozialistische Ausland. Aktiv im VBKD. SED-Eintritt.
Ab 1956
Verträge mit Betrieben zur Darstellung ihrer Arbeit in Kunstwerken für das Betriebsgelände und zur Anleitung der Werktätigen in Kunstzirkeln.
1959
Produktivstes Jahr (Riesa). Publikationen (Zeitschrift „Bildende Kunst“), Berufung in Vorbereitungskommission zur Untersuchung des Standes der Malerei in der DDR für das Politbüro der SED.
1965
Umzug nach Rostock. Verträge mit Werften.
1966
Letzte Ausstellung (VBKD, Rostock).
2018
Tod am 9.3. in Rostock.
Jugend und künstlerische Anfänge
Die Künstlerlaufbahn war dem Sohn eines gelernten Webers und späteren Bergmanns nicht in die Wiege gelegt. Die Eltern waren als Deutsche im damals russischen Bialystok geboren, verließen ihre Heimat infolge des Ersten Weltkriegs und der Revolution und mussten in Bottrop ganz neu anfangen. Für das Talent des Sohnes hatten sie Verständnis, aber er musste es neben einer handwerklichen Lehre autodidaktisch entwickeln.
Autodidaktisch ging es in und nach dem Krieg weiter. Als Soldat konnte Kurt Herbst sich nur nebenbei in Porträt- und Landschaftsmalerei üben. Doch auch sein 1946 begonnenes Studium an der Akademie in Düsseldorf quittierte er nach eigenen Worten bald und verlegte sich auf selbstständiges Zeichnen und Malen im Freien, z.B. auf der Königsallee oder der Ratinger Straße. Otto Pankok (1893–1966), ab 1947 Lehrer der Zeichen- und Grafikklasse, kam abends vorbei und lobte: „Gut, Herbst, weiter so!“ Der verkaufte oder verschenkte seine Werke an seine „Modelle“ oder Passanten. Zeitlebens schätzte er Pankok, einen im Nationalsozialismus als „entartet“ verfolgten Vertreter des „expressiven Realismus“, der ihm auch durch Pazifismus, Antifaschismus und soziales Engagement imponiert haben dürfte.
Als freier Künstler tätig in Jamlitz/Niederlausitz, Dresden und Rostock mit den Schwerpunkten Arbeiterdarstellung, Porträt und Landschaft.
„Hier in Jamlitz gibt es mehrere Maler“
Die Zufallsbekanntschaft im Cottbuser Lazarett 1945 mündete drei Jahre später in die Ehe. Als Kurt Herbst und seine Frau Gudrun geb. Kaethner Ende August 1948 frisch verheiratet die wohnungsamtliche Genehmigung für den Einzug ins Kaethner’sche Ferienhaus am Raduschsee bekamen, freuten sie sich sehr, endlich ihr eigenes Reich zu haben, auch wenn es nur aus zwei Zimmern bestand.
Gleich nebenan wohnten Rudolf Grunemann und Familie und unten im Dorf die befreundeten Künstlerfamilien Kühne-Seiffert und Commichau-Lippisch; die Cottbuser Familie Kaethner war als Ferienhausbesitzer in Jamlitz ja „alteingesessen“. Gudrun Herbst arbeitete bald im Jamlitzer Kindergarten und gab Akkordeon- und Blockflötenunterricht. Was Kurt Herbst für seine Kunst und das Leben brauchte, suchte er sich in und um Jamlitz zusammen oder baute es selbst.
Das Kaethner’sche Ferienhaus in Jamlitz auf der Anhöhe am Raduschsee auf einem Foto von 1937 (Privatarchiv).
Die junge Familie Herbst: Kurt, Gudrun und ihr erstes Kind in Jamlitz vor ihrem Häuschen auf der Anhöhe am Raduschsee, 1950 (Privatarchiv)
Am 3.11.1948 schrieb er einer Freundin:
[…] tagsüber habe ich draußen Bilderrahmen gebaut, mit Sand anstatt Gips, die Dinger sehen dann aus, als seien sie aus Stein gehauen. Etwas Goldbronze drauf und fertig ist die Kiste. Hinein kommt so ein Original Ölgemälde natürlich, allerdings ist von Öl keine Spur dran. Das kommt, sofern da, in die Bratkartoffeln, die Bilder male ich mit „Bärenkleister“ [Malerleim] u. drüber eine Lackschicht. […]
Hier in Jamlitz gibt es mehrere Maler, einer davon ist Rudi Grunemann, Wandbilder u. Holz ist sein Gebiet. […] Überhaupt, was die Bekannten angeht, so sind alle Einwohner von einer Freundlichkeit, die direkt rührend wirkt. […]
Meine Tage verbringe ich mit Holz hacken, malen, Bilderrahmen machen, Bilder vertauschen gegen Nahrung u. manches mehr. Augenblicklich baue ich ein Bett. Bislang lagen wir auf einem Strohsack, das ist nicht sehr weich, aber jetzt soll es das werden. Federn dazu fand ich im Wald, original Wehrmachtsauto, etwas angerostet doch brauchbar. Nägel gibt es nicht, da habe ich den Stahldraht von einigen Federn in Stücke gekniffen u. es ging weiter. Bezug gibt es nicht, der Strohsack u. eine große Decke muß herhalten. Band gibt es nicht, da muss Draht gut für sein […]
In der Folgezeit baute Kurt Herbst das Häuschen so gut es ging zum Atelier- und Wohnhaus für die bald größer werdende Familie aus. Gleichzeitig entstanden in Jamlitz einige seiner stärksten Bilder.
Als Neuzugang brachte Kurt Herbst frischen Wind in die Jamlitzer Rest-Künstlerkolonie, bestehend aus Walter Kühne, Bianca Commichau-Lippisch und Rudolf Grunemann. Stilistisch suchend, grundsätzlich im Einklang mit der sozialistischen Kunstpolitik, übernahm er im Rahmen des Kulturbunds eine Führungsrolle in ihrem Kreis, traf z. B. 1950 die Auswahl der Jamlitzer Kunstwerke in der Kunstausstellung zur 800-Jahrfeier in Lübben und organisierte anlässlich der Volkskammerwahl im Oktober desselben Jahres in Jamlitz eine Kunstausstellung im Sägewerk und im „Gasthaus zum Schwanensee“. Auch scheint er öffentliche Aufträge an Kollegen verteilt zu haben, so im Mai 1950 an Bianca Commichau-Lippisch Arbeiterscenen für Lübben.
Noch einmal Student
Die Herbstens verlebten in Jamlitz eine glückliche Zeit, in der zwei Kinder geboren wurden, entschlossen sich aber dennoch 1951 zum Umzug nach Dresden, wo Kurt Herbst sein Studium fortsetzte. Ein Abschluss war formale Voraussetzung für die Mitgliedschaft im 1950 gegründeten Verein Bildender Künstler Deutschlands (VBKD) und damit für den Zugang zu Ausstellungen, öffentlichen Aufträgen und der Berechtigung zur Freiberuflichkeit. Die Familie zog in die Siedlung Dresden-Hellerau, wo drei weitere Kinder geboren wurden. Gudrun Herbst arbeitete als Kindergärtnerin und Clubhausleiterin. Kontakte zu den Künstlerfamilien in Jamlitz, insbesondere Kühne-Seiffert, blieben bestehen.
Freier Künstler in Dresden und Rostock
Nach dem Diplom war Kurt Herbst im Rahmen von Werkverträgen in der betrieblichen Kulturarbeit tätig: in der LPG Kamenz, im Stahlwerk Riesa, im Textilkombinat Zittau und im Waggonbau Görlitz sowie nach dem Umzug nach Rostock in den Werften von Warnemünde und Wismar.
Entsprechend seinen kunstpolitischen Überzeugungen engagierte er sich im Verein der Bildenden Künstler Deutschlands (VBKD), u. a. für Ausstellungsmöglichkeiten jüngerer Kollegen. Er publizierte und übernahm Kommissionstätigkeit.
1953 war er in der 3., 1961/62 in der 5. Deutschen Kunstausstellung in Dresden vertreten, daneben in VBKD-Ausstellungen in Dresden und Berlin, zuletzt 1966 in Rostock. Während er sich dann allmählich aus dem öffentlichen Kunstbetrieb zurückzog, blieb er weiterhin künstlerisch produktiv. Sein letztes Bild malte er 2003.
- Kulturbund zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands
- Verband der Bildenden Künstler Deutschlands VBKD (ab 1970: VBK-DDR)
- Nationalgalerie Berlin (Gemälde Erich Weinert)
- Kunstfonds, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Gemälde Stoßofenarbeiter im Stahlwerk Riesa, Nachtschicht im Stahlwerk Riesa, Porträt der Aktivistin Maria Wolff; Porträt eines Jungen)
Gruppenausstellungen
- Berlin: Haus am Werderschen Markt 1949 („Mensch und Arbeit“, veranstaltet vom Kulturfonds beim Kulturbund zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands); Pavillon der Kunst Unter den Linden 1958 (Bezirksausstellung des VBKD); Deutsche Akademie der Künste 1961 („Junge Künstler“).
- Dresden: Albertinum Brühlsche Terrasse 1953 (3. Deutsche Kunstausstellung), 1955 (Nachwuchskünstler-Ausstellung „Plastik und Grafik“), 1961 (4. Bezirksausstellung des VBKD), 1962/63 (5. Deutsche Kunstausstellung)
- Jamlitz: Sägewerk und „Gasthaus zum Schwanensee“ 1950 (zur Volkskammerwahl am 15.10.)
- Königs Wusterhausen: Bürgerhaus „Hanns Eisler“ 2018 („FERN und HIER – dahme-ART“, Kulturbund Dahme-Spreewald e.V.)
- Lübben: Schlossturm 1950 („Kunst und Laienkunst im Kreise Lübben“, anlässlich der 800-Jahrfeier der Stadt Lübben veranstaltet von der Abteilung „Kunst und Literatur“ in der Kreisverwaltung und dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands)
- Potsdam: Ausstellungshalle im Lustgarten 1949 (Brandenburgische Landeskunstausstellung)
- Rostock: 1966 (Bezirksausstellung des VBKD)
- Warschau: 1955 (via Zentralleitung des VBKD, vermutlich zu den V. Weltfestspielen der Jugend)
Einzelausstellungen
- Lieberose: Darre 2022 (Förderverein Lieberose e.V.)
Ungedruckte Quellen
- Korrespondenz und Aufzeichnungen von Kurt Herbst und seinen Nachfahren (Privatnachlass).
- Korrespondenz und Aufzeichnungen von Bianca Commichau-Lippisch (Privatnachlass).
- BArch DY 24/2407, 2408, 2411, 2412 (Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Bestand Freie Deutsche Jugend, Sekretariat des Zentralrates, Sitzungsprotokolle 12.3., 15.4., 29.6., 9.7.1951: Förderung des jungen Künstlers Kurt Herbst aus Jamlitz/Niederlausitz, Vertrag zur Herstellung eines Ölgemäldes „Singende Pioniere“).
Gedruckte Quellen
- Kurt Herbst, Dresden: [Bericht über seinen Studieneinsatz im VEG Großgrabe 1957], in: Kunst – Mit dem Leben verbunden. Ergebnisse aus Studieneinsätzen bildender Künstler. Verband Bildender Künstler Deutschlands, o. O., o. J. [um 1958], S. 16 f. [Exemplar im Nachlass]
- Kurt Herbst: An den Brennpunkten unseres industriellen Aufbaus. Zum künstlerischen Schaffen von Albert Herold, in: Bildende Kunst 1959, H. 10, S. 732–736.
- Kurt Herbst: Er nimmt Partei für das Volk. Zum Schaffen des Dresdner Bildhauers Walter Reinhold, in: Bildende Kunst 1959, H. 7, S. 460–463.
Website
Lexika
- Dietmar Eisold: Lexikon Künstler in der DDR, Berlin 2010, S. 360.
- Vollmer, Bd. 2 (1955), S. 426.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Herbst_(Maler)
Ausstellungskataloge
- Mensch und Arbeit. Kunstausstellung 31. Mai bis 30. Juni 1949. Veranstalter: Kulturfonds beim Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, hrsg. vom Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Berlin 1949, Nr. 54 (Teichfischerei, mit Abb.).
- Ausst.-Kat. Potsdam 1949, Nr. 79 (Aus Trümmern Aufbau, mit Abb.), 80 (Glasmacher vor dem Glühofen), 81 (Schichtwechsel), 82 (Streckenbau).
- Ausst.-Kat. Lübben 1950, Nr. 29 (Der Mond), 30 (Spielende Kinder), 31 (Atelierecke), 32 (Fischerei am Raddusch-See), 33 (Großmutter K).
Zeitschriften
- Bildende Kunst 1959, H. 12, S. 823 (Abb. Kurt Herbst: Held der Arbeit Georg Dziewulski, 1. Schmelzer im Stahlwerk Riesa, 1959, Kreidezeichnung)
- S. H. Begenau: Künstlerischer Gehalt – Gehalt eigenen Lebens. Zu einigen Problemen des Bitterfelder Weges im Bezirk Dresden, in: Bildende Kunst 1961, H. 6, S. 363–369, Abb. S. 369 (Kurt Herbst: Richard Günther, 1. Stahlschmezler im Stahlwerk Riesa – 1959, Kohlezeichnung 43 x 55 cm).
Sonstiges
- Vor der Kunst. Malerei in der Kunsthochschule Dresden von 1950 bis 1990. Begleitheft zur Ausstellung im Oktogon. Kunsthalle der HfBK Dresden vom 10.5. bis 23.6.2019. Dresden o. J. [2019].
- Beatrice Vierneisel: Organisierung und Kunstproduktion. Die Kulturabteilung des ZK und die bildenden Künstler, Vortrag Ev. Akademie Tutzing 17.–19. Mai 1998 Tagung „Kunstzonen – Zonenkunst“, URL: http://www.beatricevierneisel.de/wp-content/uploads/2011/01/Vortrag-1998.pdf, S. 8.