Kurt Herbst

1922–2018


WERKSCHAU

Kurt Herbst malte und zeichnete Landschaften, Stadtansichten, Interieurs und Porträts, Darstellungen von Industrie und sozialistischem Aufbau sowie Entwürfe politischer Plakate. Bevorzugt arbeitete er in der anspruchsvollen Mischtechnik, der Kombination schnell trocknender Tempera- und langsam trocknender Ölfarben, die er aus Vorkriegsvorräten hatte oder über Verwandte aus dem Ausland bezog. Minderwertiges Material, das er in der Nachkriegszeit notgedrungen benutzte, erklärt manche Schwäche im Erhaltungszustand. Ein nach eigenen Zeichnungen in Dresden-Hellerau angefertigter wetterfester Malkasten mit Staffelei in einem Stück war sein ständiger Begleiter.

Kurt Herbsts Jamlitzer Jahre, in denen er noch seinen Stil suchte, waren eine sehr produktive Phase – der Nachlass zählt rund 200 Gemälde und Skizzen (von insgesamt rund 900). Seine ersten Ausstellungsbeteiligungen bestritt er mit Gemälden aus Jamlitz. Mit Stilanleihen bei der Vorkriegsmoderne repräsentieren sie eine einzigartige Werkgruppe in seinem Oeuvre.

Die Jamlitzer Jahre im Bild der frühen Ausstellungen

Die programmatische Ausstellung „Mensch und Arbeit“ in Berlin vom Juni 1949 wollte laut Geleitworten „den Künstler und seinen neuen Auftraggeber, den werktätigen Menschen“, zusammenbringen. Den Gewerkschaften legte man „planvolle Kulturarbeit“ zur Steigerung von Wohlbefinden und Produktivität der Werktätigen ans Herz. Moderne Kunstrichtungen wurden allerdings als klassengebundener „Snobismus“ und „Dekadenz“ diffamiert. Umso erstaunlicher ist das von Kurt Herbst als Nr. 54 ausgestellte und im Katalog abgebildete Gemälde Teichfischerei von 1949. Kaleidoskopartig zersplitterte Farbfelder zeigen Anklänge an konstruktivistische bzw. kubistische Formensprache, ähnlich wie Herbsts Gemälde Der Baum aus demselben Jahr.

Die Brandenburgische Landeskunstausstellung im Oktober/November 1949 in Potsdam wollte laut Geleitwort durch Abkehr von einer gesellschaft­lich „beziehungslosen“, „rein ästhetischen“ Kunst zur „Einheit von Kunst und Volk“ gelangen, bei der Werktätige und Künstler „auf gleicher gesellschaftlicher politischer Bewußtseinshöhe stehen werden“. Kurt Herbst stellte die Gemälde Aus Trümmern Aufbau (Nr. 79), Glasmacher vor dem Glühofen (Nr. 80), Schichtwechsel (Nr. 81) und Streckenbau (Nr. 82) aus. Den ersten drei Titeln kann man ähnliche Werke im Nachlass zuordnen. Sie alle weisen noch Stilelemente von Konstruktivismus und Expressionismus auf  – typisch für Kurt Herbsts frühes Jamlitzer Oeuvre.

In der Potsdamer Jury saßen u. a. der Cottbuser Maler Carl Noack und Rudolf Grunemann, Kurt Herbsts Nachbar in Jamlitz. Vielleicht hat er dem Kollegen den Weg in die Ausstellung gebahnt. Als Kurt Herbsts Anschrift ist im Katalog sogar „Jamlitz/Frankfurt-Oder“ angegeben, er arbeitete also möglicherweise bei Rudolf Grunemann in dessen Frankfurter Atelier. Verständlich wäre es gewesen, wie man bei der nächsten Ausstellung sah.

Bei der Ausstellung „Kunst und Laienkunst im Kreise Lübben“ zum 800. Lübbener Stadtjubiläum im September 1950 war Kurt Herbst für die Werkauswahl der Jamlitzer Künstler zuständig. Von sich selbst zeigt er Der Mond (Nr. 29), Spielende Kinder (Nr. 30), Atelierecke (Nr. 31), Fischerei am Raddusch-See (Nr. 32, vielleicht identisch mit Teichfischerei) und Großmutter K (Nr. 33). Der Mond ist wohl ein Blick auf das nächtliche Jamlitz, die Atelierecke veranschaulicht die zeittypisch beengten Wohnverhältnisse des Künstlers (die Kurt Herbst selbstredend durch Fleiß und Ideenreichtum bald verbesserte). Auch diese Gemälde stehen noch für Kurt Herbsts „Jamlitzer Stil“ mit seinen individualistischen Anklängen an Vorbilder der klassischen Moderne. Bald rückte er jedoch davon ab.

Realismus als Credo

Die Programmatik der frühen Ausstellungen, an denen sich Kurt Herbst beteiligte, machte er sich zu eigen. Abstrakte oder expressive Formen der klassischen Moderne verschwanden aus seinem Werk zugunsten eines an naturgetreuer Abbildhaftigkeit und Allgemeinverständlichkeit orientierten Realismus, der für die nächste Zeit sein Credo wurde.

Im März 1951 erhielt er den Auftrag der FDJ für ein Bild Singende Pioniere, ein Motiv, das ihn schon länger beschäftigte. Zahllose gezeichnete und gemalte Studien singender, flötender, grüßender Junger Pioniere bezeugen seine Schwierigkeiten, Naturtreue, plakative Vereinfachung und optimistische Aussage, etwa in der Studie Akkordeonspielerin, unter einen Hut zu bringen. Um hier weiterzukommen, war die Dresdner Akademie richtig. Schwerpunkt der dortigen Ausbildung war die Beherrschung der Technik, und Rudolf Bergander (1909–1970), Otto-Dix-Schüler, seit 1951 in Dresden Professor für Komposition und Tafelmalerei, lehrte den Stil des Sozialistischen Realismus.

Kurt Herbsts Haupttätigkeit der folgenden Jahre – das Malen der Arbeit in den Werkshallen, das Porträtieren von Werktätigen, die er wie in Nachtschicht im Stahlwerk Riesa in der Tradition des historischen Standesporträts darstellte, ihre Anleitung zu künstlerischer Tätigkeit im Sinne des ab 1959 so genannten „Bitterfelder Weges“ –, all das erfüllte ihn. Möglicherweise sah er darin einen Beitrag zur „Einheit von Kunst und Volk“, wie sie die Potsdamer Ausstellung 1949 als Ziel vorgab.

Die Wirkungen des Lichts

Allerdings schuf Kurt Herbst neben (politischer) Auftragskunst immer auch freier gestaltete private Porträts – darunter viele Selbstporträts –, Stadtszenen und Landschaftsbilder. Sie traten nach dem Umzug nach Rostock 1965 und seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit noch stärker in den Vordergrund. Befreit von Anforderungen des Kunstbetriebs, beschäftigte sich der unermüdliche Freilichtmaler mit den Wirkungen des Lichts und dem Farbenspiel am Himmel. Im Spätwerk schuf er impressionistische Landschaftsdarstellungen wie Nottekanal (Königs Wusterhausen) und Lichtstudien wie Sonne, du klagende Flamme. Vielleicht beherzigte er nun die „10 Gebote“ seines alten Lehrer Otto Pankok, darunter „Du sollst nicht für Ausstellungen malen“ und „Du sollst einen Baum für wichtiger halten als eine Erfindung von Picasso“.